Heidis Geschichte

Antwort zur oft gestellten Frage «Warum ich Tierschützerin wurde»

Auf dem Land aufgewachsen wurde ich leider schon als Kleinkind Zeuge von Tierquälereien. Geschehene schreckliche Taten wahrzunehmen, ohne eingreifen zu können, war prägend. Machtlos musste ich als kleines Kind, kaum 4 Jahren alt, wahrnehmen, wie es normal für Erwachsene war, ein Tier zu quälen oder es zu töten. So musste ich zusehen, wie ein Truthahn, Gans oder Huhn getötet wurde. Entweder wurde es festgehalten, um ihm den Kopf abzuschlagen, oder der Hals wurde einmal umgedreht. Ich vergesse den Geruch nicht mehr, wenn diesen Tieren im heissen Wasser die Federn gerupft und die Eingeweide entfernt wurden. Fast täglich erlebte ich Dinge, die mir keine Freude bereiteten. Damals war mein naiver Vorsatz, wenn ich einmal gross und stark wäre, würde ich alle armen in Not geratene Tiere retten oder vor Schlägen beschützen. Ich weiss nicht wie oft ich überlegte, wie ich etwas ändern könnte. Wenigstens sah es damals für mich einfacher aus, als es später in Wirklichkeit wurde.

Ein unvergessliches und nicht zu verdrängendes Erlebnis hatte ich als Vierjährige. Meine benachbarte Bäuerin bat mich, auf dem Heustock nach jungen «Büsis» zu suchen, um ihr diese zu bringen. Ahnungslos, fast ein wenig stolz, dass ich mich nützlich machen konnte, überbrachte ich Ihr die kleinen süssen Katzenbabys. Bestürzt musste ich darauf zusehen, wie sie die kleinen Kätzchen mit voller Wucht auf den Boden schmetterte und diese anschliessend auf den Miststock warf. Niedergeschlagen und betrübt beobachtete ich, wie die verzweifelte Katzenmama ihre Jungen suchte. Das bedrückte mich sehr, ich fühlte mich schuldig am Tod der Katzenbabys. Untröstlich war ich, meine Mama versuchte mir zu erklären, dass seit Menschengedenken junge Katzen auf diese Art oder durch Ertränken getötet würden, um den Katzenbestand zu regeln. Sie erklärte mir, dass eine Katze in der Lage wäre, im Jahr 2 x 5 Junge zu gebären. Diese Jungen würden sich ein Jahr später wiederum weiter vermehren. Ohne Regulierung gäbe es eine Katzenplage, darunter hätten Vögel und Reptilien zu leiden. Dies machte mich nachdenklich, oft sah ich wie Katzen nebst Mäusen auch Vögel, Frösche und Echsen jagten. Das Wort Katzen oder Hunde kastrieren, hörte ich nie, es gab im ganzen Bezirk keine Kleintierärzte, nur Viehärzte. Zwei Jahre vor Schulantritt, begann ich Tiere zu retten. Wenn es anfänglich auch nur Kaulquappen waren, die in eintrocknenden Tümpeln dem Tod geweiht waren. Meine Eltern hielten Hühner, sie liessen sich gerne streicheln, waren handzahm und konnten fliegen. Mein Papa hielt nebenbei auch Kaninchen, was mit ihnen passierte, bekam ich damals noch nicht bewusst mit. Ich kletterte gern in den benachbarten Schweinestall. Die Schweine wurden sehr sauber gehalten. Zwei immer wieder trächtige Mutterschweine hatten eigene Gehege mit sehr viel Stroh. Ausserhalb vom Stall wurde im mit Holz befeuerten alten Waschherd Abfallgemüse, Obst und Kartoffeln für die Schweine gekocht. Wir Kinder assen gern die gekochten Kartoffeln, fanden die viel besser als die Pellkartoffeln am Tisch daheim. Die Mutterschweine waren sehr zutraulich, im Herbst durfte ich diese an einem Strick unter die Bäume ausführen, damit sie das Fallobst frassen. Im Stall frassen die Schweine mir Karotten, Äpfel oder Essensreste aus der Hand. Sie erkannten mich sofort, wenn ich in den Stall kam und schnorchelten laut zur Begrüssung. Wenn Ferkel geworfen wurden, durfte ich als einziges Kind zu den Ferkeln, die Mutterschweine hatten mich akzeptiert. Bis heute faszinieren mich junge Ferkel, sie sind süss und lustig. Wenn ich irgendwo «Spanferkel» angeschrieben sehe, drehe ich mich immer ab, ich kann so herzige Ferkel nicht tot an einem Spiess sehen. Niemals hätte ich so etwas essen können. Die spätherbstlichen, schrecklichen Schlachtzeiten haben traurige Erinnerungen bei mir hinterlassen.

Mehrmals im Jahr kam ein Händler im Dorf vorbei, er bezahlte Geld für eingesammelte Weinbergschnecken (Deckelschnecken). Das bedeutete für die Kinder im Dorf ein willkommenes Taschengeld. Mein älterer Bruder und seine Freunde hatten zusammen mehrere Kilo dieser begehrten Schnecken gesammelt. Zwei vergitterte Behälter standen zur Abholung bereit. Mir war klar, dass die Schnecken ihr Leben lassen mussten, um im Restaurant Möwenpick in Zürich verspeist zu werden, meine Nachbarin Mimi Prager war die Besitzerin und Gründerin jenes Restaurants. Aus Mitleid mit den Weinbergschnecken liess ich diese am Waldrand frei, während die Jungens noch in der Schule waren. Diese Tat hat mir keiner zugetraut, erst als ich stolz zugab, es gewesen zu sein, wurde ich verprügelt. Prügeleien waren normal. Lehrer und Eltern schlugen Kinder, Erwachsene schlugen Tiere wie Hunde, Pferde und Vieh, für mich fast unerträglich. Es tat mir selbst weh, wenn Pferde schwere Lasten ziehen mussten und mit Peitschenhieben und lauten Schreien angetrieben wurden.

Das Sammeln von Weinbergschnecken dauerte noch einige Jahre, bis diese fast ausgestorben waren. Das Sammelverbot kam, als es schon zu spät war. Die roten Wegschnecken waren schon längst zur Plage geworden, weil ihr natürlicher Feind, die Weinbergschnecken fast ausgestorben war. So hiess es jedenfalls, also wurden die roten Wegschnecken vergiftet. Das bedeutete, dass nun die Igel elendig und qualvoll an den vergifteten Schnecken sterben mussten, bis auch die immer seltener wurden. Es wurde überall darüber diskutiert, aber etwas dagegen unternommen wurde 30 Jahre lange nichts. Erst als die Igel bereits am Aussterben waren, auch durch den immer mehr zunehmenden Verkehr, wurden endlich Tierschützer ernst genommen.

Mein erstes Geld verdiente ich im Vorschulalter, im Schweinestall von «Mimi Prager», der Gründerin des 1. «Möwenpick» Restaurants in Zürich. Fast täglich fuhr ein kleiner Transporter mit Abfall vom Möwenpick zu Pragers Mastställen, dem Gutsbetrieb Freudenberg. Alles in der Nähe meines Elternhauses. Oft fand ich in den Futtertrögen, Silberbesteck und kleine Rahmkrüge, die aus Versehen von unachtsamen Personal im Futterabfall landeten, die Schweine aber übrig liessen. Mich faszinierten die kleinen silbernen Rahmkrüge sowie das Besteck. Wenn ich diese der «Mimi» brachte, war das lukrativ für mich, denn immer wurde ich mit einer Münze und Süssigkeiten belohnt. Einmal brachte mir Mimi ein rosa farbiges Marzipanschweinchen aus Zürich mit, was ich noch nie vorher zu Gesicht bekam. Das Marzipanschweinchen habe ich jahrelang aufbewahrt, ich fand es zum Essen zu schade.

Über jeden Jungvogel, den ich vor einer Katze retten konnte, freute ich mich. Jungvögel, deren erster Ausflug aus dem Gebüsch im Wasser-Reservoir der Feuerwehr landeten, hatten Glück, wenn ich es beobachtete. Bei jenen Rettungsaktionen waren Schimpfe meiner Mama sicher, wegen den nassen Kleidern. Das war mir egal, ein gerettetes Vogelkücken überwog alles andere.

Nebst meinen Rettungsaktionen von Tieren im Vorschulalter, rettete ich auch alte Puppen vor der Entsorgung bei Haushaltsauflösungen verstorbener Tanten, Nachbarinnen oder anderer Dorfbewohnerinnen. Bei meinen Grosstanten bettelte ich andauernd um ihre alten Puppen. Es war 1948 nach dem zweiten Weltkrieg, ich war knapp 4 Jahre alt, als der Bruder August meiner Grossmutter starb, er wohnte wenige Häuser entfernt von meinem Elternhaus. Seine Witwe, meine Tante Hermine, hatte nach seinem Tod vor, zurück in ihr früheres Heimatdorf Bonstetten zu ziehen. Antike Puppen, die aus der Sammlung «Luise Garnier» der Ehefrau des berühmten Pariser Architekten Charles Garnier, dem Erbauer der Pariser Oper stammten, wollte sie mir schenken. Ein zweiter Teil der Sammlung von Luise Garnier besass meine Grossmutter, ein dritter Teil spendete Luise Garnier einst dem Puppen-Museum in Monaco, ihr Mann Charles war der Erbauer vom dortigen Casino.

Damals als ich mit meiner Beute antiker Puppen von Tante Hermine auf einem alten «Hunde-Leiterwagen» aus Mama Kinderzeit beladen heimkam, schlug meine Mama die Hände über ihrem Kopf zusammen und jammerte: «Kommst Du schon wieder mit so grässlichen Dingern heim». Diese Antipathie gegen antike Puppen konnte meiner Leidenschaft nichts anhaben. Erst fast 30 Jahre später, brachte ich es fertig, meine Mama für Puppen zu begeistern. Wir beide ahnten damals nicht, wie viel Wert diese Puppen tatsächlich später einmal haben würden. Tatsache ist, dass ich eine lange Zeit bis heute aus den Verkaufserlösen vielen Tieren helfen konnte. Was mich als Sammlerin betrifft, bin ich heute überzeugt, dass ich weltweit die einzige noch lebende Sammlerin bin, die schon im Jahr 1948 antike Puppen und Nippes sammelte.

Gut kann ich mich erinnern, wie damals im Dorf bei Haushaltauflösungen zur «Gant» ausgerufen wurden. Es gab keine Entsorgungsstellen! Möbel, Haushaltsartikel, alles irgendwie Verwertbare wurde vergantet. Eine «Gant“ ist vergleichbar mit einer Auktion. Oft durfte ich meinen Papa begleiten. Nach Todesfällen oder Konkursen wurde zur «Gant“ aufgerufen. Das fand im Freien vor den betreffenden Häusern statt. Die interessierten Käufer bildeten einen Halbkreis um den Gant-Ausrufer. Für einen gezeigten Artikel konnte man ein Gebot machen, wenn keiner mehr bot, hatte man den Zuschlag. Eine antike Puppe wäre für Fr. 2.- zu haben gewesen, was jedoch meinem Papa zu teuer war, er meinte, dass er für Fr. 2.- fast eine Stunde lang arbeiten müsste. Einmal ersteigerte mein Papa für 50 Rappen eine kleine Kuckucksuhr für mich. Vor lauter Freude nahm ich die Kuckucksuhr mit ins Bett, Der Kuckuck kam aber erst heraus, als mein Papa die Uhr an die Wand hängte. Eine meiner schlimmsten Erinnerungen während der Schulzeit, war dass der ortsansässige Männerchor, wo mein Papa aktives Mitglied war, alljährlich im Herbst einen für mich unfassbaren «Katzenfrass», auch «Katzenschmaus» genannt, durchführten. Angeblich seit Generationen, um den Katzenbestand zu regulieren. Dieser Anlass fand jeweils im Dorfrestaurant «Alpenblick» statt, der im Besitz von Grossmutters Schwester Luise und deren Familie war. Als Luise und ihr Mann starben, erbte der ledig gebliebene Sohn August das Restaurant und die dazu gehörende kleine Landwirtschaft. Er war einer der letzten, dem als Zugtiere zwei Ochsen oder Kühe dienten. Das Restaurant «Alpenblick» inklusive der dazugehörigen Wohnung hatte August über Jahrzehnte an die Wirtin Anna Eprecht verpachtet. Sie verköstigte ihn und besorgte seine Wäsche. Er wohnte im obersten Geschoss. Nebenbei war August Jagdaufseher, und verantwortlich für das Dezimieren von überschüssigen, ungewollten Katzen. Es war im Dorf üblich, dass zu einem bestimmten Termin im Herbst, ungewollte Katzen in einem gut verschnürten Sack, beim Dorfschneider, direkt neben der Sennhütte abgegeben werden konnten. Vom Balkon meiner Grossmutter, die damals noch im Lehrerhaus neben dem Schulhaus wohnte, musste ich die grauenvollste Beobachtung meines Lebens machen. Das traumatisierte mich so, dass ich das Geschehene nie mehr wieder aus meinem Kopf verbannen konnte. Während meine Grossmutter in der Küche beschäftigt war, musste ich ohnmächtig zusehen, was sich abspielte. Es war der östliche Balkon der Lehrerwohnung, im unteren Stock, dem Parterre befand sich die Gemeindekanzlei, wo das Tippen der Schreibmaschine gut zu hören war. Ich hatte direkten Blick zur Rückseite der «Sennhüte» und zum Haus vom Schneidermeister. Anschliessend, fast gegenüber, das ehemalige Waschhaus vom «Wehrlihaus». Dieses Waschhaus diente Jahrelang als Militärküche. Hinter diesem Waschhaus, sah ich wie die in Säcken gefangenen Katzen übereinander lagen. Die Säcke bewegten sich, ich hörte Kreischen und Schreien, auch erbärmliches Wimmern. Ich war erstarrt, gelähmt, völlig verzweifelt, traute meinen Augen nicht, was ich sah. Es war unvorstellbar, was sich abspielte. Damals hiess es, dass die Katzen vom Jäger erschossen würden. Aber ich wurde Zeuge, wie die Katzen wirklich auf das grausamste umgebracht wurden. Um sie zu töten, wurden sie nicht aus dem Sack genommen, damit sie nicht entwischen, beissen oder kratzen konnten. Die Stelle, wo sich der Kopf der Katze befand, drückte ein Mann auf einen Scheitstock, ein zweiter schlug heftig mit einem Fäustel drauf. Noch grauenhafter war es, dass sich die Säcke nach dem Schlag immer noch eine Weile bewegten. Ich konnte nicht verstehen, dass Erwachsenen Menschen so etwas tun konnten. Es war ein ohnmächtiges Gefühl, machtlos sein zu müssen.

Nach meiner fürchterlichen Beobachtung klagte ich weinend meiner Grossmutter, was ich gesehen hatte. Sie erzählte tröstend, folgende bewegende Geschichte von Muddle: «Muddle mit deren jungen Kätzchen du immer so gern spielst, ist eine Katze, die dem Massaker, wohl durch einen undichten Sack entkam. Sie kletterte vor Jahren verzweifelt am Spalierbaum auf den Balkon. Ich gab ihr zu trinken und zu fressen und ein Körbchen zum Schlafen. In derselben Nacht hat sie uns zum Dank mitten auf unser schönes Sofa fünf junge Kätzchen geworfen. Die Katze «Muddle» brachte viele Jahre lang junge Kätzchen zur Welt, zur grössten Freude aller Enkel. Es existieren Fotos, wie meine Grossmutter mit den Kätzchen am Boden spielt und auch von Muddle auf ihrem Arm. Sie liebte diese Katze über alles, fand es nicht vermeidbar, dass so viele Katzen so unmenschlich dezimiert wurden. Jedenfalls konnte ich nicht mit ihr weiter darüber diskutieren, denn so wie es war, so war es.

Es frustrierte mich damals, und auch noch Jahre später, dass mein Papa, der aktiver Sänger im Männerchor war, an dem alljährlich stattfindenden «Katzenfrass» im Restaurant «Alpenblick» teilnahm. Er rechtfertigte sich, dass er niemals Katzen essen würde, sondern er bestelle immer Kaninchen, die als Alternative angeboten würden. Es dauerte noch fast 20 Jahre, da erlebte ich, wie schwierig es war, dem immer noch stattfindenden Katzenfrass ein Ende zu bereiten. Über das schreibe ich im Kapitel aus der Zeit als Erwachsene Tierschützerin.

Als 11-jährige erlebte ich wie der Appenzeller-Hund «Blessi» der Schnapsbrenner-Familie Wyss, auf der Wiese vor meinem Elternhaus, durch ein Mofa-Fahrer erschossen wurde. Das geschah, während Blessi mit unserem Hund «Moritz» spielte. Es handelte sich um eine kleine komplizierte Kriminalgeschichte, jedoch zu lang um darüber zu schreiben. Nach einem Einbruch in mein Elternhaus kam durch ein Verhör der Polizei heraus, dass eigentlich unser Hund Moritz erschossen werden sollte. Es war ein weiteres Erlebnis, an das ich mich ungern erinnere.

Bald darauf erlebte ich meinen allerschlimmsten Albtraum, der mir beinahe mein Leben kostete. Mit Sicherheit hat das Erlebnis mein weiteres Leben geprägt. Es hat aber auch ein Stück heile Welt und ein Teil von meinem Glauben zerstört.
Es war an einem Sonntag im Frühjahr, nach dem Gottesdienst streichelte ich vor der Kirche einen herrenlosen Hund, einen Appenzeller-Schäfer-Mix mit wunderschönen bernsteinfarbigen, treu blickenden Augen. Darauf lief er mir bis zu meinem Elternhaus nach, ich konnte seinen bittenden Augen nicht widerstehen, fütterte ihn heimlich im Holzschopf einen Anbau neben dem Vorplatz zur Küche. Unser Hund Moritz, ein Mischling Bernhardiner-Schäferhund, war wie oft auf der «Leutsch» im Dorf. Damals gab es «Kettenhunde» oder «leutschende Hunde». Das traurige Resultat waren immer wieder die vielen ungewollten Welpen. Kastrieren von Katzen und Hunden war ja ein Fremdwort. Junge ungewollte Welpen wurden wie die Katzen ertränkt oder erstickt. Andere verkauften grössere Welpen an verschiedene Hundehändler, die als Kesselflicker, Korbmacher oder Messerschleifer unterwegs waren. Durch den immer mehr aufkommenden Verkehr durch das Dorf der wichtigen Hauptstrecke Zürich-Zug-Luzern wurden immer öfter Hunde überfahren, die meistens waren nicht sofort tot. In meinen Ohren höre ich immer noch das fürchterliche Jaulen von überfahrenen Hunden. Ein überfahrener Hund wurde nicht behandelt. Kam er durch, hatte er Glück. Drei unserer Hunde wurden überfahren, unser erster ein kleiner Mix, den wir Moritzli nannten, brach den Rücken, als er vor Freude am fahrenden Motorrad von meinem Papa hochsprang. Er jaulte fürchterlich, bis mein Papa ihn erschoss. Der zweite war ein Drahthaardackel, er wurde von einem Auto überfahren, als er dem Auto von meinem Papa nachlief. Der dritte, ein Langhaar-Dackel verschwand spurlos. Viele Wochen suchten wir verzweifelt erfolglos nach ihm, auch andere, auch aus einem Nachbardorf. Einige Jahre später, als meine Eltern nicht mehr lebten, habe ich von meiner Coiffeuse erfahren, dass ihr damaliger Freund mit seinem Mofa unseren Dackel anfuhr, ihn mitnahm, ihn aus Angst tötete und entsorgte. Der liebe anhängliche Hund, der mich nach der Kirche heimbegleitete, durfte ich zu meiner grössten Überraschung behalten, weil er sich auch sehr gut mit unserem Hund Moritz vertrug. Platz gab es für beide Hunde genügend im Holzschopf neben dem Kücheneingang. Hinter einer Schiebetür hatten sie eine alte Matratze zur Verfügung. Wegen den wunderschönen bernsteinfarbigen Augen nannte ich diesen Hund «Bernie». Zwischen mir und Bernie entstand eine ganz besondere Freundschaft. Während Moritz ein Streuner war, blieb Bernie immer daheim, wartete neben dem Holzschopf vor der Glastüre zur Küche. Er freute sich riesig, wenn er von mir ein Leckerli erhielt oder gestreichelt wurde. Bei jedem Wetter begleitete er mich zur Schule, er wartete jeweils unter einem Baum, bis ich wieder von der Schule kam. Wenn er mich kommen sah, machte er vor Freude zirkusreife Überschläge. Mein Papa spöttelte, Bernie ist sicher einem Wanderzirkus verloren gegangen. Tatsächlich beherrschte Bernie einige Kunststücke, die ihm jemand beigebracht haben musste. Wenn immer möglich, machte ich meine Schulaufgaben auf dem Vorplatz zur Küche, damit ich möglichst in der Nähe von Bernie sein konnte. Er setzte sich neben mich auf die Bank legte seinen Kopf auf meine Knie und genoss es, wenn ich ihm zwischendurch am Hals kraulte. Ich war überglücklich einen eigenen Hund zu besitzen, der mir alles bedeutete. Besonders weil meine beiden Brüder andere Interessen hatten und absolut keine Tierfreunde waren. 


Im Herbst, Monate nach dem Bernie zu mir kam, behauptete unser Nachbar, dass Moritz und Bernie nachts seine acht Kaninchen gefressen hätten. Mein Vater zweifelte zwar dran, wie zwei Hunde mehrere starke Gitter an kleinen Türen eindrücken konnten, um acht Kaninchen zu fressen. Am Tatort gab es keine Spuren wie Fellbüschel, Eingeweide, Blut, Knochen oder etwas, was auf ein totes Kaninchen hinwies. Selbst ich als Kind wusste, dass es unmöglich war, auch Wölfe und Füchse frassen nie eine Beute mit Haut und Haaren auf. Unser Nachbar R. K. war Besitzer von einem Berner Sennenhund, sein Hundehaus befand sich im Vorbau der Kaninchenställe, wo er angekettet war. Barry hätte sicher angeschlagen, bei einem solchen Überfall auf die Kaninchen. Unser Nachbar wusste, dass unsere Hunde gut versichert waren. Die Versicherung zahlte auch anstandslos einen sehr guten Preis. Es kam wie es kommen musste, es dauerte nicht lange, klagte der übernächste Nachbar, ein Landwirt, dass unsere Hunde in der Nacht seine Enten getötet hätten, nachdem er vergessen hätte, das Entenhaus abzuschliessen. Es waren sicher nicht unsere Hunde. Nachts trieben sich Füchse, Marder und Dachse herum. Aber getötetes Federvieh durch Marder- und Fuchsbiss waren nicht versichert, aber unsere Hunde. Auch wir vergassen einmal am Abend, das Hühnertürchen abzuschliessen, schon waren am andern Morgen alle Hühner tot. Die einen von einem Marder zerbissen, andern starben vor Schreck. Die Versicherung unserer Hunde zahlte wieder einmal mehr anstandslos. Gut möglich, dass sich mein Papa besorgt Gedanken machte, wie es weitergehen könnte.

Zu jener Zeit brachte mich mein Papa hie und da, jeweils am Samstagnachmittag zu einem Onkel nach Cham, um ihm beim Einkaufen und Putzen zu helfen, nachdem seine Frau, die Patentante meiner Mama starb. Es war ein Samstag zwischen Allerheiligen und dem 1. Advent. nach getaner Arbeit brachte mich am Abend mein Onkel mit seinem Auto heim. Das Erste was mir auffiel, Bernie kam nicht wie immer stürmisch, um mich zu begrüssen. Dabei hatte ich mir beim Abendessen ein Stück Wurst für ihn aufgespart. Bernie war verschwunden, ich spürte schnell, dass etwas nicht stimmte. Bernie ging nie allein weg, er wartete immer auf mich. Als ich meine Mama fragte, wo Bernie zuletzt war, zuckte sie nur mit den Schultern, ohne mir in die Augen zu sehen. Es dauerte nicht lange, äffte mein älterer Bruder schadenfreudig: «Kennst sicher den Huser aus Obfelden?» Was ich verneinte. Dann meinte er: «Der war heute hier, ein sesshafter Zigeuner, Hundehändler, er holt überschüssige Hunde und Welpen ab, handelt mit Hunden und Hundefleisch». Mein jüngerer Bruder lachte. Das alles war wie ein harter Schlag für mich, der Untergang meiner heilen Welt.

Blitzartig, wortlos, ohne Jacke und Handschuhe fuhr ich mit meinem Fahrrad los, es war längst schon dunkel. Der Weg führte auf steiniger Nebenstrasse durch das sogenannte «Unterholz» ein grosser Wald, der bis zur Gemeindegrenze Obfelden reichte. Völlig durchfroren, mit starren Fingern, die den Lenker kaum halten konnten, kam ich in Obfelden an. Dort war der Hundehändler Huser offenbar sehr bekannt, gleich die erste Person konnte mir den Weg weisen. Aber es war anscheinend niemand zu Hause, alles dunkel um das Haus. Ich begann in die Dunkelheit laut nach «Bernie» zu rufen, in der Hoffnung, dass er sich aus einem der Verschläge bemerkbar macht. Bald darauf kam jemand aus dem Haus von nebenan mit einer Taschenlampe auf mich zu, eine Männerstimme fragte: «Was ist passiert». Der Mann verstand, was ich in meiner Verzweiflung erzählte. «Ja, dann bist du sicher zu spät», sagte er und leuchtete mit seiner Taschenlampe an die Wand unter einem Vordach vor einem Gartenhaus oder Hühnerstall. Da hing an Hinterpfoten hängend an zwei Nägeln ein langes schmales ausgeweidetes Tier an einem Brett. Es erinnerte mich, an erlegten ausgeweidete Rehe und Hasen, durch mein Onkel, der Jäger vom Restaurant «Alpenblick». Das am Brett aufgehängte Tier, hatte keine Hufe wie Rehe, sondern ich konnte auf Anhieb Bernies Pfoten erkennen. Das Fell war abgezogen, jedoch nicht an den Pfoten, die mit Nägeln festgehämmert waren. Es war deutlich schwarzes Fell mit weissem Fleck zu erkennen, wie Bernie es hatte. Das war so ein schrecklicher, schockierender, mich zerstörender Anblick, was mich zeitlebens nie mehr wieder losliess. In jenem Moment wurde mein Hals immer trockener, ich konnte nicht schreien, kaum schlucken. Ich musste nach Luft ringen, glaubte zu ersticken. Seit jenem Moment, weiss ich die Bedeutung vom Wort «atemberaubend». Mir wurde wirklich der Atem geraubt. Nebst meiner beschriebener Reaktion, begann auch mein Körper fürchterlich an zu zittern, ich hörte und spürte mein Herz klopfen und hämmern. Es lässt sich nicht beschreiben, was mir alles durch meinen Kopf ging. Ich wollte schreien, brachte aber keinen Ton aus mir heraus. Die Situation nicht schreien zu können erlebte ich jahrelang in Albträumen, wenn mir im Traum der ausgeweidete Bernie am Brett hängend vorkam. Nach solchen Träumen ging es mir nicht gut, ich war aufgewühlt oder schlecht gelaunt. Ich erinnere mich, was der dort anwesende Mann murmelte: «Huser beliefert regelmässig ein Lungensanatorium in Davos mit Hundefleisch, soll für die an der Lunge erkranke Leute gesund sein». Es war mehr für mich als ein Weltuntergang, es war alles zerstört, hatte keine Familie mehr, die meinen Bernie auf dem Gewissen hatte, und bald auch mein Leben. Schlagartig war mir klar geworden, dass ich ohne Bernie in so einer schlechten Familie nicht mehr leben wollte. Das Gefühl, die eigene Familie als Feind zu haben, die hinter meinem Rücken fähig war, mir so etwas anzutun, waren nicht mehr die Menschen, bei denen ich weiter leben wollte, schon gar nicht ohne Bernie. Damals glaubte ich, wenn ich sterbe, würde ich im Himmel Bernie treffen. Mein Sterben war beschlossene Sache. Auch glaubte ich fest daran, dass ich im Himmel zum Engel würde und mit Bernie zusammen wäre, und armen Tieren helfen könnte. Ich war durcheinander, einerseits hatte ich den Glauben an Gott verloren, andererseits glaubte ich an einen Himmel und an Engel. Sicher war ich, dass Bernie mir verzeihen würde, denn ich fühlte mich an seinem Tod schuldig, weil ich ihn in diese schreckliche Familie holte. Vom Himmel aus wollte ich alle Tierquäler bestrafen, auch mein älterer Bruder, der Bernie oft zum Jaulen brachte, um mich zu ärgern.

Wie mein Leben zu beenden war, wusste ich, hatte ich ein Vorbild. In der Nähe von meinem Elternhaus betrieb das Geschwisterpaar Wyss eine Landwirtschaft. Zuerst erhängte sich der Bruder, den ich fast täglich sah, wenn er mit dem Pferdefuhrwerk unterwegs war. Kurze Zeit später nahm sich seine Schwester das Leben, indem sie sich in der Nähe vom Bahnhof unter einen fahrenden Zug legte. Für mich gab nichts Einfacheres als zu sterben, als sich mit dem Hals über eine Eisenbahnschiene vor einen fahrenden Zug zu legen. Dazu kam, dass mein Heimweg eh über diese Bahnlinie führte. Wegen der Kälte schaffte ich es mit letzter Kraft mit meinem Fahrrad bis zum Schützenhaus, das keine 100 m gegenüber vom Bahnhof stand. Dort stellte ich mein Fahrrad ab, um ohne damit zu den Geleisen zu gehen. Wohlwissend, wenn ich auch durchgefroren war, musste ich so lange ausharren, bis ein Zug kam, die damals stündlich fuhren. Leider ahnte ich nicht, dass am Samstagabend, wo niemand mehr arbeitete, die Züge nicht mehr stündlich fuhren, denn ich wartete und wartete und es kam kein Zug. Bis heute bin ich überzeugt, wenn ein Zug damals bald gekommen wäre, würde ich heute nicht mehr leben. Es kam anders als ich es plante. Während ich auf einen Zug in unermesslicher Trauer und Verzweiflung wartete, sah ich Licht im Wohnzimmer meiner geliebten Grossmutter. Nach der Pensionierung von meinem Grossvater, mussten sie im Lehrerhaus Platz für einen jungen Lehrer machen. Sie fanden eine Wohnung direkt gegenüber vom Bahnhof. Mein Grossvater lebte seit kurzem nicht mehr, aber meine Grossmutter sollte wissen, was Schlimmes ihr Sohn, mein Papa mir angetan hatte. Sie würde sicher nach meinem Tod mit meinen Eltern ernsthaft schimpfen. In der warmen Stube meiner Grossmutter, begannen meine Hände und Füsse an, fürchterlich zu schmerzen. In der Küche hielt meine Grossmutter meine Hände unter den kalten Wasserhahn, endlich konnte ich durch meine schmerzenden Hände und Füsse aufschreien. Meine Grossmutter kochte Tee und schimpfte: «Als ich in deinem Alter war, wäre ich nie auf so dumme Gedanken gekommen, meine Sorgen waren damals andere, wie etwa womit wir Kinder am nächsten Tag satt werden?». Ich hörte, wie sie mit meinem Papa telefonierte und sagte: «Es ist besser, wenn die nächsten Tage keiner auf Besuch kommt, ich biege sie wieder zurecht». Als mein Papa Kleider und Schulzeug brachte, weigerte ich mich mit ihm zu sprechen. Meine Eltern hatten wohl begriffen, dass ich zu schwer betroffen war, es besser war, dass ich nicht in meinem Elternhaus zurückkehrte. Ohne Bernie war mein Vorhaben zu sterben nicht aufgehoben, nur aufgeschoben. Meine Grossmutter gab mir zu verstehen, wie froh sie besonders zu jener Zeit um mich war. Sie war mitten in den Vorbereitungen für den Umzug in eine ruhigere Wohnung. Direkt am Bahnhof, neben einem Restaurant war zu viel Lärm. So half ich meiner Grossmutter beim Verpacken von Geschirr und anderen Gegenständen. Es gab mir ein gutes Gefühl, gebraucht zu werden. So ging ich einkaufen, holte Holz im Schopf für den Kachelofen, leerte die Asche im Garten. Während meine Grossmutter hellauf von mir begeistert war, schlug das Schicksal erneut zu.

Es war der 2. Dezember, nach der Schule war ich wieder im Wohnzimmer meiner Grossmutter beschäftigt, Gläser in Zeitungspapier zu wickeln. Meine Grossmutter kam aus der Küche, setzte sich aufs Sofa, sah mich an und sagte: «Heidi, ich glaube ich muss sterben, es geht mir schlecht, hole den Arzt». Der Arzt wohnte nur wenige Häuser entfernt. Es dauerte ein Moment, bis ich begriff, es war kein Spass. Der Arzt war noch anwesend als Max, der Zwillingsbruder von meinem Papa, der bei meiner Grossmutter wohnte, heimkam. Auch zu ihm, sagte meiner Grossmutter, dass sie sterben würde. Darauf jammerte er zu meiner Grossmutter: «Wenn du stirbst, dann kann ich auch nicht mehr leben». Das war für mich als Teenager ein seltsames Gefühl, es ging immer um das Sterben. Mein Grossvater und Bernie waren gestorben, Max, Grossmutter und ich wollten sterben. Bald darauf holte mein Papa meine Grossmutter ab. Sie sollte in meinem Elternhaus von meiner Mama gepflegt werden. Zuerst blieb ich bei Max, aber den ganzen Tag allein in der Wohnung meiner Grossmutter zu bleiben, ging nicht. Ich sträubte mich vehement in mein Elternhaus zurückzugehen. Da meine Grossmutter in meinem Zimmer und Bett untergebracht war, durfte ich vorübergehend bei Nachbarn wohnen. Es lebten in dieser Familie drei wesentlich jüngere Kinder als ich und der Hund «Anjo“, meine Hilfe wurde da auch sehr geschätzt. Es gab viel zu tun, auch mit Plätzchen backen, kurz vor Weihnachten. Über die Festtage war ich stolz, dass ich allein kochen durfte und meine Kochkünste gerühmt wurden.

Am 2. Januar, genau ein Monat nach dem Schwächeanfall meiner Grossmutter starb sie in meinem Bett und Zimmer. Ich denke, dass es die Folge von einem Schlaganfall war, der Dorfarzt hatte keine Geräte um abzuklären, was meiner Grossmutter überhaupt fehlte. Mit einer angemessenen Behandlung wäre sie sicher nicht gestorben.

Ich weigerte mich weiterhin, in mein Elternhaus zurückzukehren. Es kam für mich nicht in Frage, in einem Bett und Zimmer zu schlafen, worin mein geliebtes «Grosi» starb. Erst paar Wochen vor meinem Schulabschluss kehrte ich in mein Elternhaus zurück, aber nicht in mein Zimmer. Es gab eine 10 Quadratmeter grosse Dachkammer, ohne Heizung und Isolation gegen das Dach, wo ich selbstbestimmend logieren wollte. Als Bett diente eine alte, schiefe Couch, deren Decke andauernd herunterrutschte. Mein Koffer, den mir Papa zur Grossmutter brachte, diente als Kleiderschrank. Genau genommen lebte ich wie ein fremder Gast daheim. Mir war alles egal, wenn ich nur abgeschieden von meiner Familie meine Ruhe hatte. Auch wenn es im Winter sehr kalt im Zimmer war, mich sah keiner mehr im Wohnzimmer. In der Küche setzte ich mich nie mehr wieder an den Familientisch. Das Essen nahm ich in meine kalte Dachkammer hoch. In der Verspiegelung der Glastüre in der Küche, konnte ich sehen, wie die Köpfe geschüttelt und die Augen verdreht wurden, wegen meinem Verhalten. Ich konnte mich nicht mit den Schuldigen an Bernies Tod an den gleichen Tisch setzen. Je länger, je mehr war ich mir sicher, dass ich mit Bernie auch meine Familie, mein geborgenes Daheim verloren hatte. Es war nichts mehr, wie es vorher war.

Damals konnte ich nachts oft nicht schlafen. Um mich abzulenken, las ich Bücher, weil es im Zimmer kalt war, zog ich die Bettdecke über mich, um mit einer Taschenlampe unter der Decke zu lesen. Im Lernen sah ich keinen Sinn mehr. Auch nicht für meinen Traum, die Kunstschule in Zürich zu besuchen, was der Rat von meinem Grossvater und meinem Lehrer war. Auch wäre ich noch zu jung gewesen, auf das nicht obligatorische 9. Schuljahr wollte ich inzwischen verzichten. Mein innigster Wunsch war ein Beruf, wo ich mich für Tiere einsetzen konnte. Meine Mama fragte im Zoo in Zürich und Basel nach einer möglichen Ausbildung als Tierpflegerin. Beide Zoos sagten ab, mit der Begründung, dass es sich ausschliesslich um einen Männerberuf handeln würde. Erst einige Jahre später, während der Hochkonjunktur änderten sich deren Meinungen, weil Personal fehlte.

Kurz vor dem bevorstehenden Schulabschluss entschloss ich mich für einen Sprachaufenthalt in der französischen Schweiz. Es war mir hauptsächlich nur wichtig, dass ich wegziehen konnte, denn die Erinnerung mit der Geschichte um Bernie und was ich noch nachträglich erfuhr, war für mich kaum zu ertragen. «Welschland», das bedeutete einen Sprachaufenthalt in der französischen Schweiz. Damals häufig üblich, da nach Schulaustritt eine Berufsausbildung erst ab 16 Jahren möglich war.

Die Zeit nach Bernies Tod, bis zum Schulaustritt, hatte ich in einem meiner Klassenkameraden einen Freund gefunden. Er hiess Karl, mit ihm war ich später 55 Jahre lang bis zu seinem Tod verheiratet. Er zeigte besonderes Mitgefühl für das was meine Eltern und Brüder mir antaten. Er kannte ein Geheimnis über meinen Nachbarn R.K., dem mit den Kaninchen. Karls Eltern betrieben Landwirtschaft, direkt angrenzend zum Schulhaus. Er war der zweitjüngste von 12 Kindern und verdiente etwas Geld mit dem Verkauf von Enten- und Hühnerkücken und dem Mästen von Kaninchen. Mit dem Geld unterstützte er seine Mutter, weil sie immer bei ihm weinend um Geld bettelte. Er war darüber nicht glücklich, hatte aber immerhin zwischendurch Geld, um mir immer wieder mal eine Schokolade zu schenken.

Wenn Karls Enten- und Hühnerkücken in seinen verschiedenen Brutkästen «Marke Eigenbau» am Schlüpfen waren, verliessen wir heimlich den Pausenplatz, um das Schlüpfen zu beobachten. Die Kücken und Kaninchen konnte Karl regelmässig einem Händler Pedretti verkaufen, der die Kücken auf anderen Bauernhöfen weiterverkaufte. Genau dieser Händler Pedretti hatte es in sich, denn Karl traute mir sein Geheimnis an: «Ich weiss, dass eure beiden Hunde keine acht Kaninchen von eurem Nachbarn R.K. auf dem Gewissen haben. Ich habe selber gesehen wie R.K. acht Schlachtkaninchen zum Lieferwagen vom Händler Pedretti in der Nähe von unserem Hausplatz brachte». Es wäre besser gewesen, wenn mir das Karl nicht erzählt hätte, das merkte er zu spät. Lange wusste ich nicht wie ich damit umgehen sollte, es staute sich die Wut auf den Nachbar in mir. Er war in meinen Augen ein Mitverantwortlicher für Bernies Tod und ein weiterer Feind für mich. Er wollte zweimal für die acht Kaninchen kassieren, einmal vom Verkauf an den Händler und ein zweites Mal von Papas Versicherung. Es war kaum zu ertragen für mich. Jene falschen Anschuldigungen hatten mit Sicherheit dazu beigetragen, dass Bernie unschuldig sein Leben lassen musste. Als ich meinen Papa bat, unseren Nachbarn R.K. wegen Versicherungsbetrug anzuzeigen, meinte er: Ich will keinen Nachbarstreit, die Versicherung hat anstandslos bezahlt». Mein Gefühl kann ich nicht genau beschreiben, ich hinterfragte mich, warum ein Erwachsener respektlos Hunde für ein Verbrechen beschuldigte, obwohl er wusste, dass diese unschuldig waren.

Ich war 14 Jahre und 3 Monate alt, als ich mein längst gepacktes «Köfferchen» zur Hand nehmen konnte. Meine Mama hatte mir eine Stelle gefunden über den Schulhaus-Abwart, seine Tochter Ida, die 4 Jahre älter als ich war, arbeitete im Service im «Hotel Buffet de le Gare» in Grandvaux, ein Weinbauerndorf am Genfersee. Ihre Madame suchte ein Mädchen für ein einjährigen Sprachaufenthalt. Ein Mädchen für alles mit einem monatlichen Lohn von Fr. 35.-. (Zum Vergleich: eine Tafel Schokolade kostete damals Fr.1.10). Das bedeutete mit meinem Monatslohn hätte ich 30 Tafeln Schokolade kaufen können. Kurz vor meiner Abreise, suchte mein Papa ein Gespräch mit mir und sagte: «Wenn du aus dem Welschland zurück bist, habe ich einen Stall für zwei Islandpferde fertig gebaut, die du aus einem ankommenden Transport selbst auswählen darfst». Meine Antwort: «Wie lange dauert es, bis diese klammheimlich ohne Abschied zu nehmen beim Schlachter landen?» Ich spielte die Trotzköpfige, war aber überzeugt, dass wenigstens mein Papa ein echt schlechtes Gewissen hatte. Heimlich freute ich mich auf zwei Islandpferde.

Nach meiner Ankunft in Grandvaux, fand ich eine grauenhafte, gruselig verschmutzte Küche vor. Nie in meinem Leben hätte ich mir vorstellen können, wie viel Schmutz und Ungeziefer in einer Küche vorkommen konnte. Als ich Ida einmal in die Küche holte, um ihr die Maden in den Lebensmitteln zu zeigen, war sie so schockiert, dass sie am gleichen Abend ihre Koffer packte. Über den Balkon musste ich sie in der Nacht samt ihrem Koffer abseilen. Sie zog zur Familie von ihrem Freund, eine Weinbauernfamilie in Grandvaux. So kam es, dass ich kaum angekommen allein war. Obwohl meine Madame eine Aushilfe im Service hatte, musste ich von da an oft bis in die Morgenstunden im Service mithelfen. Das alles nebst der Küchenarbeit, WC, Restaurant und Gästezimmer putzen, Wäsche ohne Maschine waschen und Bügeln. Das schmutzige Geschirr auch aus dem Speisesaal musste ich von Hand abwaschen, denn es gab keine Abwaschmaschine, wie auch keine Waschmaschine für die Wäsche. Alles sehr harte Arbeit, täglich 18-20 Stunden lang, ohne einen freien Tag. Es machte mir nichts aus, im Gegenteil, ich konnte gut schlafen. Meine traurige Geschichte mit Bernie empfand ich als bösen Traum. Nach Mitternacht waren in der Gaststube mehr Betrunkene als andere anzutreffen. Am eigenen Leib erfuhr ich, wie Betrunkene primitiv wurden, glaubten ein junges Mädchen muss sich alles gefallen lassen. Auch mein Patron glaubte mich dauernd begrabschen zu dürfen. Spät nachts musste ich mir für ein grosses «Trinkgeld“ alles gefallen lassen. Betrunkene reichten mich wie eine Spielzeugpuppe herum. Für ein «Trinkgeld» musste ich mich auf deren Knien setzen. Damals war Service nicht inbegriffen, das erhaltene grosse «Trinkgeld» musste ich jedoch abgeben, denn ich hatte ja einen Monatslohn von Fr. 35.-! Ich kam mir verraten und verkauft vor, wusste genau, dass ich schamlos ausgenützt wurde. Die Achtung vor Erwachsenen verlor ich immer mehr. Gerne hätte ich einige Leute angespuckt, so widerlich fand ich diese. Aber es gab auch sehr viel nette Gäste.

Zweimal erlebte ich, wie der Dorfpolizist während seiner Kontrolle der Polizeistunde mit Tricks und Wetten mit Alkohol abgefüllt wurde, bis er nicht mehr stehen konnte und in die Hosen machte, weil er die Toilette nicht mehr erreichen konnte. Heute muss ich lächeln, wenn ich daran denke, wie der Polizist in der Morgenfrühe, wie ein erlegter Hirsch, aus dem Restaurant nach Hause getragen wurde.

Mir stand nur das Badezimmer meiner Patrons zur Verfügung. Es gab keine Dusche. Die Badewanne war immer voll mit schmutziger Hotelwäsche, es gab ja keine Waschmaschine, so wurde in der Badewanne die Bettwäsche der wenigen Hotelzimmer nass gemacht, (nicht gewaschen) um diese anschliessend patschnass an der Sonne aufzuhängen.

Meine Madame war eine kleine Frau, etwa 200 Kg schwer, sie war keine böse Frau, aber sehr schmuddelig. Sie liebte ihren Hund «Blacky» abgöttisch, ein schwarzer Belgischer Schäferhund, der bei ihr im Bett schlafen durfte. Der Patron sagte einmal, er müsse auf dem Sofa im gleichen Zimmer schlafen, das immer abgeschlossen war. Ich war nicht sicher, ob er nur Spass machte. Madame fütterte ihren Blacky auf dem Zimmer, mit was, das habe nie herausgefunden, aber Cervelat-Würste kaufte sie kranzweise. Leider musste der arme Hund die meiste Zeit auf dem Zimmer verbringen. Er hatte keinen Auslauf, niemand ging mit ihm Gassi. Sein Geschäft musste er im ewig abgeschlossenen Zimmer verrichten, das ich nie betreten durfte. Mir tat Blacky sehr leid, nur zweimal konnte ich beobachten, dass der Patron ihn in den steilen Rebberg mitnahm. Eine grüne Wiese oder ein Gehweg mit dem Duft anderer Hunde, kannte Blacky nicht. Er hatte ein ganz anderes Leben wie unser Moritz, der im Dorf herumlungern durfte, wie es ihm passte.

Für mich wurden die unsittlichen Belästigungen im Restaurant, sowie die viel zu langen Arbeitsstunden ohne freien Tag immer unzumutbarer. So überwand ich meinen Stolz und rief zuhause an, bat mein Papa mit meinen Patrons zu sprechen, erwähnte dabei nur die zu lange Arbeitszeit. Worauf meine Eltern tatsächlich Ende Juni auf Besuch kamen. Sie wurden überschwänglich freundlich von der Madame empfangen, die meinen Eltern ein fürstliches Mittagessen auftischte. Mein Papa hatte darauf wohl nicht gleich den Mut, nach dem Essen mit Madame Negatives zu besprechen. Er schlug vor, mit mir einen Ausflug nach Greyerz zu machen. Es waren die ersten freien Stunden, während fast drei Monaten. Ich bat Madame, Blacky mitzunehmen, weil er noch nie in Auto einem Ausflug machen durfte. Ich war sehr überrascht, dass sie mir und meinen Eltern ihren liebsten Blacky anvertraute. Während der 50 km fahrt bis nach Greyerz, sass Blacky friedlich neben mir auf dem Hintersitz. Kaum angekommen öffnete ich die Tür, da flitzte Blacky blitzartig über mich weg, bevor ich ihn anleinen konnte. Er raste in Panik davon. Alles rufen nützte nichts, Blacky verschwand, der schwarze Punkt wurde immer kleiner. Diesen verzweifelten Moment kann ich nicht beschreiben, wir hofften lange, dass er zurückkommt. Wir suchten mehr als eine Stunde zu Fuss und eine weitere Stunde mit dem Auto. Blacky blieb verschwunden. Es war für mich genauso so peinlich wie für meinen Eltern, ohne Blacky nach Grandvaux zurückzukehren. Es war ein unbeschreiblicher, schwieriger Moment, der Madame zu beichten, dass wir ihren geliebten Blacky verloren hatten. Papa meinte zu mir: «Es ist jetzt wohl nicht so der Moment, dass ich mit Madame über deine Probleme spreche. Musst halt noch etwas ausharren, geht alles einmal vorbei». Da war ich gleicher Meinung, habe selbst erfahren, was es bedeutet einen geliebten Hund zu verlieren. Meine Eltern reisten unverrichteter Dinge ab. Für mich wurde nach dem Besuch meiner Eltern, alles noch viel schlimmer, als je zuvor.

Öfters sah ich Madame weinen, das waren die Momente, wo ich mich schuldig fühlte und mich schämte. Heute würde ich meine Madame umarmen, sie trösten, aber damals wich ich ihr, wo ich nur konnte aus. Madame bekam viel Mitgefühl von ihren Gästen, wenn sie über ihr grosses Leid klagte. Klar, meine grösste Sorge war Blacky, ob er noch lebt, verletzt, am Verhungern oder Verdursten war, alle meine Gedanken drehten sich um ihn. Blacky kannte keine Wiesen, Strassen, Wälder, einfach nichts ausser dem Schlafzimmer, die Gaststube und den Rebberg. Wie konnte ein so verhätschelter Hund wie Blacky nur klarkommen, ohne sein Bett und Madame. Sie gab mehrere Vermisstanzeigen in verschiedenen Zeitungen auf. Niemand meldete sich, es waren unendliche lange schreckliche Tage der Ungewissheit.
Doch das schier unglaubliche Wunder geschah. An einem schönen Tag kam Blacky in die Gaststube herein spaziert. Ich traute meinen Augen nicht, Blackys Verhalten war so, als wäre er nie fort gewesen, das alles nach fast drei Wochen! Sein einst schwarz glänzendes Fell wirkte matt und etwas struppig. Blacky war sichtlich abgemagert aber ohne Verletzungen. Mein damaliges Glücksgefühl ist kaum zu beschreiben, seit langer Zeit konnte ich endlich vor Freude weinen. Meine Madame fiel fast in Ohnmacht und schwelgte vor Stolz, dass ihr kluger Prinz Blacky den Weg zu ihr gefunden hatte. Für mich ist es heute noch ein Wunder, wie dieser Hund so eine Leistung schaffte. Eine Strecke von fast 50 km zurückzulegen, und viele Hindernisse wie Strassen, Bahnlinien, Gewässer zu überwinden. Über solche Geschichten konnte man lesen, aber selber erleben, das war etwas ganz anderes.

Meine Arbeitssituation hatte sich nicht gebessert, aber ich gewöhnte mich daran. Doch nach einem bedenklichen Vorfall mitten in der Nacht mit meinem Patron, sprang ich an der selben Stelle vom Balkon, wo ich Ida früher abseilte. Im Gegensatz zu ihr, hatte ich keine Schuhe an, kein Koffer und kein Geld dabei. So rannte ich barfuss, wie ein verfolgtes Tier nach Pully, direkt am Genfersee gelegen. An der Hauptstrasse Genf-Bern wo es noch keine Autobahn gab, versuchte ich Autos zu stoppen. Mir war bewusst, dass das gefährlich war, darum stieg ich nur bei einer Frau am Steuer ein. Die erste Frau am Steuer, wollte sicher sein, dass ich nicht aus einem Heim ausriss. Ohne Schuhe nach Mitternacht machte schon einen komischen Eindruck. Aber sie verstand und glaubte auch sofort meine Geschichte. Während der Fahrt erzählte sie, dass sie eine viel reisende Politikerin wäre, aber ein Mädchen mitten in der Nacht ohne Schuhe, wäre ihr noch nie begegnet. Sie brachte mich in Bern zur Bahnhof-Hilfe. Diese Organisation versuchte erfolglos meine Eltern zu erreichen, denn die waren in den Ferien. Das freute mich heimlich und ich gab die Adresse meiner Patentante in Zürich an, der Schwester meiner Mama. Sie erklärte sich bereit mich am folgenden Tag in Zürich am Hauptbahnhof abzuholen. Nach einem erlösenden Schlaf wurde ich mit einer Tasche voll Proviant und feinen Leckereien, inklusive ein paar Turnschuhen, die zwei Nummern zu gross waren und einem Billett auf die Reise nach Zürich geschickt. Meine Patentante wollte mir dann eine Lehrstelle bei Ihrer Pediküre vermitteln, bei der ich auch hätte wohnen können. Aber Füsse von anderen Leuten anzufassen, war gar nicht mein Ding. Der von meinem Papa versprochene im Bau befindende Pferdestall interessierte mich inzwischen schon ein wenig. So entschloss ich mich nach zwei Wochen in Zürich, auch inzwischen mutig und stark geworden, in die Höhle der Bösen zurückzukehren.

Nicht vermeiden konnte ich, den schmerzliche Blick auf den ehemaligen leeren Lieblingsplatz von Bernie. Moritz unser anderer Hund, war weg. Auf meine Frage, antwortete meine Mutter: «Er war immer auf der Leutsch, war voll von Bandwürmer». Mehr musste sie nicht sagen, ich ahnte welches Schicksal Moritz erleiden musste. Mein grosser Traum war die Kunstschule in Zürich zu besuchen, deren Aufnahmeprüfung ich mit Bravur bestand. Aber mein Papa fand, dass ich zuerst einen richtigen Beruf erlernen sollte.

Es sah nach einem guten Tag für mich aus, als ich meinen Papa nach Basel zum Güterbahnhof begleiten durfte, um zwei versprochenen Islandpferde auszusuchen, das dann drei wurden. Es wurde kein guter Tag für mich als Tierschützerin. Der Zug kam aus Rotterdam, die übrigen Güterwagen waren hauptsächlich mit Schlachtkälbern für Italien beladen. Es war kaum zu fassen, wie die armen Kälber zu leiden hatten. Die gequälten, traurigen Blicke der Kälber, die von Holland nach Italien zur Schlachtung unterwegs waren, erschütterte mich. Es war unverständlich, dass die Tiere kein Recht auf eine anständige Behandlung hatten, es war ein grauenvoller Anblick. Die Machtlosigkeit, den Tieren nicht helfen zu können, brachte mich fast zur Verzweiflung. So freudig wie der Tag begann, so traurig und nachdenklich war ich schlussendlich.

Kurz nach dem Abschluss meiner Berufsausbildung, hatte ich die Gelegenheit mich mit den eigenen Islandpferde und weiteren in Pension genommenen mich selbstständig zu machen. Von der Schnapsbrennerei Wyss, deren Hund Blessy auf unserem Hausplatz einst erschossen wurde, konnte ich eine ganze Koppel mit Unterständen günstig direkt bei der Badeanstalt mieten. Bald kamen zu den 10 Islandpferden, 4 weitere Pferde mit dem von mir dazu gekauften Apfelschimmel. Ich erhielt kein Pensionsgeld, hatte von den Besitzern aller Tiere die Bewilligung diese für begleitete Ausritte gewerblich zu nutzen. Es war eine sehr grosse Verantwortung mit Ausritten, denn eine Reithalle hatte ich keine. Nach jedem Ausritt mit Kunden, darunter auch Kinder, war ich jedesmal froh, wenn wir heil ankamen. Leider war ich auf schönes Wetter für Ausritte angewiesen. Bei schlechtem Wetter und während dem Winter, brauchten die Pferde auch Futter, Hufpflege und Tierarzt. Über den Winter schrieb ich rote Zahlen, ohne die finanzielle Unterstützung von meinem Freund Karl wäre ich nicht über die Runden gekommen. Karl half mir in seiner Freizeit auch beim Ausmisten, denn mein Reitbetrieb war mit riesigem Arbeitsaufwand ohne Freizeit verbunden. Trotzdem hatte ich viele Neider, sie gaben Karl den Übernahmen «Bollenjäger» was eine Bedeutung mit „Ausmister“ zu tun hatte. Die Neider sahen nur meine Kasse klingeln bei schönem Wetter. Sie sahen nicht, was mich die Pferde bei Regen und im langen Winter kosteten. Es gab tatsächlich Leute im engsten Kreis – auch mein Bruder und seine Verbündeten – die das Gefühl hatten ich würde zu viel Geld verdienen. Nach dem zweiten überstandenen Winter, als meine Reitstunden wieder anfingen zu florieren, gingen meine Neider zu weit. Sie durchtrennten in der Nacht die Drähte des Weidezauns bei der Badeanstalt. Mitten in der Nacht erhielt ich ein Anruf von der Wirtin Anna Eprecht des nahegelegen Restaurant Alpenblick, (wo jeweils der Katzenfrass stattfand), dass die mir anvertrauten Pferde auf der Hauptstrass Zürich-Zug herumirren. Das war eine lebensgefährliche Situation für die Pferde, aber auch Motorrad- und Autofahrer, die in der Nacht viel zu schnell unterwegs waren, es existierten noch keine Blitzer! Es war ein grosses Glück, dass es zu keinem Unfall kam. Diesen Vorfall nahm ich nicht auf die leichte Schulter, auch wusste ich, wer hinter dieser Sabotage steckte. Ein Landwirt, der seinen Milchbetrieb aufgab, machte mir kurz vor dem schlimmen Vorfall ein Angebot, seine Stallungen und Weiden günstig mit Wohnrecht pachten zu können. Da ich mit meinem älteren Bruder kein gutes Verhältnis hatte, er war befreundet mit den Saboteuren, zog ich noch so gern aus meinem Elternhaus aus. Mein Bruder und einer seiner Freunde versuchten weiterhin mir mein Leben schwer zu machen. So war ich schlussendlich froh, dass der Landwirt nach einem Jahr meinen Reitbetrieb käuflich übernahm, samt meinem geliebten Apfelschimmel «Sämi». Sehr traurig zog ich nach Luzern in eine 1-Zimmerwohnung, ich hatte zwar Geld, suchte aber sofort einen Job, wo ich mich nebenbei in einer Abendschule als Dekorateurin weiterbilden konnte. Den Kontakt zu meinem Schulfreund Karl, auf den ich mich immer zu 100 % verlassen konnte blieb. Wir waren kaum 20 Jahre alt, Karl hatte seine 4-jährige Berufsbildung und die Rekrutenschule hinter sich, als wir heirateten. Unser Traum war, Geld verdienen, ein Haus kaufen mit viel Umschwung, um Tiere halten zu können. Tierhaltung war für uns beide sehr wichtig, dafür wollten wir hart arbeiten und sparsam leben. Ich fand eine Stelle als Filialleiterin in einem Gemischtwarengeschäft von VOLG. Über dem Ladengeschäft hatten wir eine grosszügige, neuere 4-Zimmer Wohnung mit Terrasse zur Verfügung. Karl fand eine gut bezahlte Stelle in einem Kraftwerk. Er besuchte eine Abendschule, um sich weiterzubilden, lernte dort den Inhaber einer bekannten, aufstrebenden Zürcher Elektro-Firma kennen. Dieser machte Karl das lukrative Angebot bei ihm als Bauleiter im Industrie Starkstrombereich einzusteigen, was er annahm. Das bedeutete, ich musste meinen Job als Filialleiterin aufgeben und in die Nähe von Zürich ziehen. Da Karl sehr oft nachts und an Wochenenden arbeiten musste, wenn die Industriebetriebe geschlossen waren, nutzte ich die Zeit, nebst Haushalt und zwei Kindern, mein Puppen-Hobby zu meinem Beruf zu machen. Es waren Puppen und Stofftiere, die ich herstellte, neben dem Restaurieren von antiken Puppen und anderen Antiquitäten. Etwa um 1969 trug ich meine erste eigene Firma im Handelsregister unter Kunstgewerbe ein. Meine ersten Erzeugnisse verkaufte ich erfolgreich an Ausstellungen und auf Weihnachtsmärkten. Es war für uns eine sehr anstrengende, aber glückliche Zeit. Wir waren gerade mal knapp 27 Jahre alt, da hatten wir das nötige Geld zusammen um in unserem Heimatdorf Mettmenstetten, die lang ausgeschriebene Liegenschaft Restaurant Alpenblick mit Nebengebäuden und Umschwung mit Wald zu kaufen. Der Jagdaufseher und Katzentöter August, Neffe meiner Grossmutter war gestorben. Nun gehörte uns die Liegenschaft mit dem Restaurant, wo der alljährlich Katzenschmaus stattfand. Es war klar, wir hatten unsere Neider im Dorf wieder aufgewärmt.

Nach unserem Kauf mussten wir viel Zeit, Energie und Geld für nötige Renovationen investieren, denn der ledige August, vernachlässigte einiges an den dazugehörenden Liegenschaften und Stallungen. Trotz allem waren wir sehr glücklich, dass unser Traum, genügend Platz und Land für eine zukünftige Tierhaltung, schneller als erwartet in Erfüllung ging. Als erstes wurden alle Dächer neu gedeckt, anschliessend legte Karl einen Teich für Enten und Gänse an. Es waren die ersten Tiere, die bei uns ein schönes Zuhause fanden. Karl war handwerklich sehr begabt, die im Restaurant anstehenden Renovationen, Küche und WC-Anlagen, wollte er etappenweise eigenhändig selbst durchführen. Dafür plante er nebst seiner Berufstätigkeit etwas mehr Zeit als normal ein. Da wir vorhatten, das Restaurant anschliessend zu verpachten, sollte es nicht zu lange geschlossen blieben. Ich schlug vor, das Restaurant während den Bauarbeiten selbst zu führen. Es hatte aber noch ein Grund, warum ich das Restaurant einige Zeit selbst führen wollte. Es war der jährlich stattfindende «Katzenschmaus», der niemals mehr in diesem Restaurant, das nun in unserem Besitz war, stattfinden durfte. Es war mir bewusst, dass auch ein kleineres Restaurant, nebst meinem anderen Kunstgewerbe-Geschäft, das ich nicht aufgeben konnte, nicht einfach war zu betreiben war. Nebenbei hatte ich drei Jobs als freischaffende Designerin für Handarbeiten, beim Schweizer «Meyers Modeblatt» dem «Handarbeiten», ein Heft, herausgegeben von Aenne Burdas Verlag in Offenburg, sowie dem Frech-Verlag in Stuttgart. Das alles wollte ich nicht aufgeben, was dann zu einer sehr grossen Herausforderung für mich wurde. Um meine Eltern, mit denen ich mich versöhnte, war ich sehr froh, sie unterstützten mich, wo sie nur konnten, sie wohnten in der Nähe.

Nun war das berüchtigte Restaurant «Alpenblick» in unserem Besitz. Es war das Stammlokal des örtlichen Musikvereines, aber auch das Lokal vom Männerchor, wo seit Jahrzehnten der berüchtigte «Katzenschmaus», auch «Katzenfrass» genannt, jedes Jahr im Herbst mit festlichem Hintergrund stattfand. Die Wirtin, Anna Eprecht und der Männerchor organisierten diesen Anlass, wo auch auswärtige Gäste, die nicht Mitglied waren, teilnehmen konnten. Mein Papa war aktives Mitglied im Männerchor, er war einer von denen, der keine Katzen essen konnte und darum die nebenbei angebotenen Kaninchen zum Essen bestellte.

Zuerst musste ich die obligatorische Wirteschule in Zürich besuchen und eine Prüfung ablegen. Aber dann konnte ich dem Anlass, der seit meiner frühsten Kindheit ein Dorn im Auge war, den Kampf ansagen. Triumphierend konnte ich kaum den Tag abwarten, bis der Zuständige vom Männerchor vorbei kam, um ein Termin für den schlimmen Anlass im Herbst festzulegen. Ich glaubte es in der Hand zu haben, dieser schrecklichen Tradition auf irgendeine Art ein Ende zu bereiten. Als es soweit war, ich um einen Termin gefragt wurde, platzte es nur so aus mir heraus, dass niemals mehr im Restaurant «Alpenblick» eine Katze gekocht oder gegessen würde. Ich denke, dass ich nicht sehr freundlich war, genoss es endlich als Erwachsene meine Meinung einem Mitglied vom Männerchor sagen zu können, das nicht mein Papa war.

Bald darauf suchte mich die ehemalige Pächterin, Anna Eprecht auf. Sie führte den Alpenblick fast 30 Jahre lang, war weit herum eine sehr beliebte, respektvolle Wirtin. Sie kam im Auftrag vom Männerchor, um mich zu überreden, die alte Tradition weiterzuführen. Sie wäre lukrativ, Anna bot mir an, die Katzen für mich zu kochen. Sie erklärte, dass immer zwei verschiedene Katzengerichte im Angebot waren. Die einen Katzen würden in einer dunklen Rotweinsauce zubereitet. Die anderen Katzen in heller Sauce mit Rahm und Weisswein verfeinert. Die Katzen in der weissen Sauce, wurden als Kaninchen für die Gäste angeboten, die keine Katzen essen mochten, wie mein Papa. Ich traute meinen Ohren nicht, was Anna wie selbstverständlich und als normal von sich gab. In meinen Augen war das Betrug, ein Etikettenschwindel. Wer Kaninchen bestellt, dem aber Katzen serviert wurde, war meiner Meinung betrogen worden. Das sah Anna aber anders, sie war stolz darauf, so gut gekocht zu haben, dass es keiner merkte, dass er Katzen ass, statt Kaninchen. Anna gab mir ernsthaft den Rat, mitzumachen, ansonsten werde das Lokal von vielen Dorfbewohnern zukünftig gemieden und die Existenz vom Restaurant sei bedroht. Das konnte mich nicht einschüchtern, wir waren überhaupt nicht auf Einnahmen von Restaurant angewiesen. Entsetzt und frustriert, teilte ich meinem Papa diesen schauderhaften Betrug mit. Seine Antwort war niederschlagend für mich: «Es hat´s ja keiner gemerkt, wie auch ich nicht, gestorben ist auch keiner daran. Katzen bekommt Anna gratis im Überfluss, warum sollte teure Kaninchen dazu gekauft werden?». Später vernahm ich, dass damals einige vom Männerchor über den Betrug informiert waren und sich köstlich darüber amüsierten, dass keiner Katzen- und Kaninchenfleisch unterscheiden konnte.

Mir war es völlig egal, dass der «Alpenblick» anschliessend vom Männerchor, den Anhängern vom Katzenschmaus und den Trittbrettfahrern unserer früheren Neider regelrecht boykottiert wurde. Sie alle glaubten irrtümlich, uns finanziell schaden zu können. Karl mit seinem guten Job und ich mit meiner Kunstgewerbe-Firma verdienten überdurchschnittlich gut. Das Restaurant lief trotzdem sehr gut. Das ganze Debakel mit den Katzen war eine Genugtuung für mich, endlich war meine Zeit gekommen, etwas gegen die abscheuliche Katzengeschichte zu unternehmen. Ich fühlte mich nicht mehr so schlecht, wie damals als kleines Mädchen, wo ich hilflos Schreckliches erlebte.

Die Weiterführung des Katzenschmaus konnte ich anfänglich nicht sofort verhindern. Zukünftig sollte der Katzenschmaus in einem grösseren Restaurant im Dorf, mit noch mehr Gästen stattfinden. Damit jene Wirtin ein möglichst grosses Geschäft daraus machen konnte, platzierte sie in verschieden Zeitungen Werbung dafür. Durch jene Werbung wurde eine grosse Zürcher Tierschutz-Organisation darauf aufmerksam. Über die Presse wurde der jährlich durchgeführte Katzenfrass vom Männerchor zum Skandal. Mit allen Mitteln versuchten die Tierschützer diese alte Tradition zu verhindern. Es gelang nicht auf Anhieb. Es wurde anfänglich ein Werbe-Verbot angeordnet, der Katzenfrass durfte nur in privaten Räumlichkeiten stattfinden. Aber diese alte Tradition wurde vehement weiterhin massiv in Zeitungen zerrissen, bis der Männerchor freiwillig aufgab.

Nach fast zwei Jahren war mein Mann mit den Umbauarbeiten im Restaurant fertig. Auch mit dem Ausbau des kleinen Nebengebäudes, dem Waschhaus, als Wohnhaus für uns. Die Wohnung in der wir wohnten gehörte zum Restaurant.

Nach der Übergabe an den neuen Pächter, fehlte mir etwas. Ich vermisste die Gäste, das Lachen, bis der Bauch schmerzte. Nie mehr in meinem Leben gab es so viel zu lachen wie damals mit den Gästen. Rückblickend war es eine schöne Zeit mit vielen guten Erfahrungen.
Mein Kunstgewerbe-Geschäft florierte, ich musste Leute einstellen. Es fanden aber auch immer mehr Tiere ein Zuhause. Polizisten, die ich vom Restaurant her kannte, brachten oft herrenlose, aufgegriffene Tiere, bis die Besitzer ermittelt werden konnten. Mein Papa schenkte meiner Tochter das 3-jährige Fohlen «Zara» bei dessen Geburt sie einst dabei war. Zwei Brienzer Ziegen und ein Pferd kamen dazu, bald auch ein Hund und eine zugelaufene Katze. Nebst meiner beruflichen Tätigkeit hatte ich zwei Kinder und die Tiere zu betreuen. Wir alle waren glücklich und zufrieden, unser Jugendtraum hatte sich erfüllt.

Leider wollte es das Schicksal anders. Im Herbst 1978 erlebten wir eine Katastrophe. Es war die Zeit, wo ich mit grossem Aufwand einen Auftrag für «Meyers Modeblatt» fertig hatte. Das Modeblatt hatte ein von mir entwickeltes Puppen-Bastelset in ihrer Zeitschrift doppelseitig in Farbe veröffentlicht, das dem Blatt während den ersten zwei Tagen über 1500 Bestellungen bescherte. Es handelte sich um eine kostspielige Bastelpackung mit Zubehör, Stoffen, Schnittmustern, von mir bemalten fertigem Kopf mit Perücke und Leder-Stiefel. Unser Ökonomiegebäude, in dem sich meine Werkstatt befand, war zusammengebaut mit einem Teil, der im Besitz der Gemeinde war. Im Teil der Gemeinde legte ein gemeiner Brandstifter in der Nacht Feuer, das explosionsartig auf unseren Teil übergriff. Meine Arbeitsräume, mein Lager samt Inhalt war nicht mehr zu retten.

Mehr als mein Schaden, taten mir alle Tiere leid, die unter dem riesigen Dach des Ökonomiegebäudes lebten. Es waren Kolonien von Fledermäusen. Wenn sie überlebten, dann hatten sie ihre Schlafplätze verloren. Auch die Schwalben würden ihre unzähligen Nistplätze unter dem grossen Vordach im kommenden Frühjahr nicht mehr vorfinden. In meinen Augen hatten der Brandstifter und sein Helfer, auch meinen Papa auf dem Gewissen, der sich bei der Rettung unserer Tiere zu sehr anstrengte. Er erlitt einen ersten Herzinfarkt, der nicht als Herzinfarkt erkannt wurde. Ein paar Monate später erlitt er einen zweiten, den er nicht überlebte. Genau genommen hatte der Brandstifter auf lange Sicht auch meinen Mann Karl auf dem Gewissen. Durch den erlittenen Schock fand er nachts ohne starke Schlafmittel keinen Schlaf mehr. Das machte ihn auf lange Sicht abhängig. Der grosse Materialverlust meiner Firma inklusive der fertig entwickelten Industriemodelle für die Puppen- und Spielwaren Fabrik „Schildkröt“ in Mannheim. Die Handarbeit-Sets und Puppen-Sets für das Modeblatt und den Burda-Verlag, alles war vernichtet. Das war nicht ohne, denn während das Gebäude versichert war, war mein Warenlager noch über das Wohnhaus versichert, ich hatte es verpasst, das Warenlager auf das im Ökonomiegebäude umzumelden. Finanziell konnten wir den materiellen Verlust verschmerzen. Aber alles andere, was auf mich zu kam, war happig. Durch den Tod meines Papas verlor ich den Betreuer von Zara und meinem Pferd, meine Tochter verlor ihren Grossvater, bei dem sie sich fast mehr aufhielt als daheim. Es kam doppelte Arbeit auf mich zu, weil ich Papas verwaiste drei Islandpferde und die bissige Mazedonier-Lipizaner-Stute «Decka» zusätzlich betreuen musste. Papa war Mitglied im Verein SVMP, der gesunde Balkanpferde vor der Schlachtung für italienische Salami retteten. Deka, war die Mutter von Zara und eines der geretteten Pferde. Leider konnte Deka blitzartig wie ein Krokodil zubeissen, wehe dem der in ihre Nähe kam. Der Verein SVMP wurde im Jahr 2021 aufgelöst. Da stellt sich die Frage: Was hat der Verein in mehr als 40 Jahren bewirkt? Die geretteten Tiere waren wie ein Tropfen auf einen heissen Stein. Es verlieren weiterhin Tausende von Pferden auf grausame Art ihr Leben in italienischen Schlachthöfen, um zu Salami verarbeitet zu werden. Nicht nur in Italien, sondern auf der ganzen Welt geschieht es. Leider mussten wir aus Zeitgründen für Papas Pferde ein neues Zuhause finden. Zuvor wurde Zara am Knie durch einen der Isländer, schwer verletzt, lange musste sie im Tierspital Zürich behandelt werden.

Bald mussten wir für die seit Jahren bei uns lebenden Kanadischen Wildgänse ein neues Daheim suchen. Die Muttertiere, die wir einst in einem Tierpark in Norddeutschland kauften, waren durch kupierte Flügel fluguntauglich. Die inzwischen 16 Nachkommen wurden von uns nicht kupiert. Sie konnten freifliegende Ausflüge machen, drehten Runden um den nahen Kirchturm. Das war nicht das Problem, aber ihr Landeplatz, die angrenzende Hauptstrasse! Obwohl wir ein riesiges Gehege mit angelegtem Teich hatten, bevorzugten die Gänse als Landebahn die Strasse. Es handelte sich um die stark befahrenen Hauptstrasse Zürich-Zug, eine Autobahn existierte noch nicht. Es wurde für den Verkehr und die Tiere zu gefährlich, auch für die Person, die die Gänse einfangen musste. Durch glückliche Fügung fanden wir einen neuen Platz am Gübsensee im Kanton St. Gallen. Doch zu unserem Schrecken kamen unsere fliegenden Gänse zu ihren kupierten Eltern und Leittieren zurück. Schweren Herzens mussten wir diese auch hergeben, um die anderen zu retten. Wir freuten uns an den verbliebenen Nonnengänsen, Laufenten und den wachsamen Emdener Gänsen. Die Gänse bewachten weiterhin unser Gelände, besser als jeder Wachhund. Jedes Tier hatte einen Namen. Wir amüsierten uns, wenn sie ungebetene Besucher angriffen. Der sehr aggressive Ganter nannten wir Max. Das kam nicht gut an beim Max, dem Zwillingsbruder von meinem verstorbenen Papa. Der war höchst beleidigt über diese Namensgebung. Ganter Max hatte es besonders auf unseren Sohn Karl abgesehen, der musste oft fast um sein Leben rennen. Wenn Max der Schnellere war, packte er ihn immer beim Wegrennen am Hosenboden und lies ihn nicht mehr so schnell wieder los. Es war für uns äusserst amüsant, solche Szenen zu beobachten.

Nach dem Brand 1978, wo ich alle meine Arbeits- und Lagerräume verlor, erhielten wir von der Gemeinde die Bewilligung für ein Fertig-Holzbau als Atelier und Lager. Das reichte inzwischen schon längst nicht mehr. Ich war gezwungen, überall im Dorf Lagerräume zusätzlich zu mieten. Um die Waren zu transportieren, kaufte ich ein Ford Transit. Jeden Tag musste ich aus dem abgesperrten Gelände raus und rein fahren. Eine Unachtsamkeit genügte und unsere zwei Brienzer Ziegen nutzten die Gelegenheit, um unsern lieben Nachbarn die Blumen-und Gemüsegärten zu ruinieren. Auch für die zahmen Ziegen mussten wir ein neues Zuhause finden. Immer mehr sah ich unseren Traum der Tierhaltung schwinden. Ich fragte mich damals weniger als heute, ob mein Erfolg der Preis für alles wert war. Weniger Arbeit und weniger verdienen, wäre mehr Lebensqualität mit Tieren zusammen gewesen.
Ich schaffte es nicht mehr allein und musste mehr Leute auch für Büroarbeiten einstellen. Das Administrative überforderte mich am meisten. Es kam der Tag, dass mein Mann Karl, seinen gut bezahlten Beruf aufgab, um mich zu unterstützen. Mit meiner Mutter zusammen gründeten wir drei 1981 eine Familien-AG. Nur Monate später starb meine Mama plötzlich. Unsere Kinder, die damals 12 und 14 Jahre alt waren, hatten ihre Eltern immer in greifbarer Nähe, aber gar keine Grosseltern mehr. Von gemeinsamen Ferien oder Ausflügen konnten sie nur träumen. Aber sie hatten einiges, was andere Kinder nicht hatten.

Jahre später als unsere Tochter in Zürich eine Banklehre absolvierte, fehlte nun die Pferdebetreuerin. Aus Zeitgründen mussten wir ihr Kleinpferd Zara bei unserem ehemaligen Schulkollegen in Pension geben, wo Zara mit anderen Pferden zusammen Zeit auf der Weide verbringen konnte und gut betreut wurde. Mein eigenes Pferd, das sehr zutraulich war, sich geduldig von Kindern alles gefallen liess, aber bei Ausritten Autos und anderes scheute, verschenkte ich als Therapiepferd einem Heim für behinderte Kinder. Die Kinder freuten riesig darüber. Nachdem unsere letzte Katze überfahren wurde, war unser einziges Haustier, nebst paar Enten und Gänsen nur noch unsere Dalmatiner-Hündin «Gina». Mit ihr hatten wir die grössten Probleme. Sie litt an einer rassenbedingten, schweren chronischen Allergie. Ihre Überlebenschance war geschätzt durch den Tierarzt maximal 3 Jahre. Durch gute Beziehungen konnten wir ein Medikament aus den USA beziehen, das in der Schweiz nicht zugelassen war. Aus Liebe zu unser Gina, nahmen wir alle damit verbundenen Umtriebe und Kosten in Kauf. Zwei von Ginas Geschwistern litten an derselben Krankheit wie Gina. Die Besitzer konnten sich das Medikament aus den USA nicht leisten. Es war schrecklich, wie die Tiere und deren Besitzer unter dieser rassebedingten Krankheit leiden mussten. Nachdem die Hunde gestorben waren, hatte ich später lange Zeit ein schlechtes Gewissen, dass ich die Besitzer nicht finanziell unterstützte, es wären pro Jahr und Hund über Fr. 4000.- gewesen. Die Hunde waren unschuldig, dass Züchter auf die Zeichnung der Tupfen geachtet haben statt auf Erbkrankheiten. Aus diesem Grund begann ich Organisationen zu unterstützen, die damals schon Qualzuchten verurteilten, die durch unnötige Zucht-Richtlinien, die der Schönheit dienen sollte, die es in Wirklichkeit nicht war. Dass damit der Gesundheit und dem Wohl der Tiere schwerer Schaden und grosses Leid zugefügt wurden, begriffen Züchter schon vor mehr als 40 Jahren nicht. Bis heute kämpfen Tierschützer immer noch gegen Qualzüchter, auch bei Katzen. Tiere aus Qualzuchten bringen ungemein viel Leid über ihre Besitzer, die Kosten können unermesslich sein. Die Besitzer leiden mit ihren geliebten kranken Tieren. Für Politiker gelten Tiere als Sache, was sehr bedenklich ist. Unsere Gina durfte dank Medikamenten ohne zu leiden fast 11 Jahre alt werden, viel älter wie diagnostiziert. Gina starb an einem Rundzellen-Karzinom. Bis heute vermisse ich unsere unvergessliche immer fröhliche Gina. Für mich war sie meine beste Freundin, sie spürte jede Gefühlsregung an mir, schupste mich mit ihrer Nase, wenn ich nachdenklich oder traurig war. Niemals mehr, wäre für mich wieder ein Hund mit Stammbaum in Frage gekommen. Unsere letzten zwei Hunde, adoptierten wir aus dem Tierschutz und haben das keine Minute lang bereut.

Nach der beruflichen Ausbildung unserer Kinder, arbeiteten diese einige Jahre lang in unserer Firma, deren Räumlichkeiten längst aus allen Nähten platzten. Wir zogen zuerst nach Zug. Nach zwei Jahren konnten wir von Nestlé ihre frühere Produktionsräume in Cham mieten. Die grosse Fläche war ideal für unsere Produktion. Auch hatten wir genügend Platz, für eine permanente museale Ausstellung. Wir stellten Puppen aus eigener Produktion aus, aber auch antike Puppen aus meiner Sammlung. Gross bewundert wurden unsere 1:12 Miniaturen, die in einem riesigen Diorama zur Schau gestellt wurden. Mein permanent ausgestellter Weihnachtsmarkt begeisterte auch im Hochsommer unsere Besucher, die aus vielen Ländern angereist kamen.

Gina war 7 Jahre alt, als ich ohne es zu wollen zu einem kleinen, kurzbeinigen Jack Rousell mit kupiertem Schwanz kam. Ich sollte ihn angeblich bestellt haben, was sich aber um ein Missverständnis oder einen Spass handelte. Wir nahmen ihn trotzdem, was wir auch nie bereuten, obwohl er unglaublich wild war, deswegen wurde er «Lumpi» genannt. Er war kein Jahr alt, als er aus Übermut aus dem Fenster im 1. Stock sprang. Dabei erlitt er schwerste Knochenbrüche, um und ab der Hüfte. Unser damaliger Tierarzt wollte ihn einschläfern. Mein Mann Karl liess es nicht zu, er suchte so lange, bis er einen jungen Tierarzt in Cham fand, der den Mut hatte, unseren Lumpi zu operieren. Wochenlang war Gassi gehen nicht möglich, ein Pipi machen war schon das grösste Problem. Wir mussten ihn so lange hochheben bis es funktionierte. Bald diente als Krankenbett ein Puppenwagen. Egal wo ich hinging, wenn es auch nur zur Toilette oder beim Kochen war, ich zog den Puppenwagen mit Lumpi immer hinter mir her, so hatte ich ihn unter Kontrolle. Bei ihm war man nie sicher, was ihm gerade Dummes einfiel. Lumpi wurde völlig gesund, ein Schlitzohr blieb er für immer, er war ein kleiner amüsanter Clown, der es schaffte, alle immer wieder zum Lachen zu bringen. Obwohl er sich als Chef über alle hielt, bin ich dankbar für jede Minute, die er bei uns weilte. Er wurde 17 Jahre alt. Sein Durchsetzungsvermögen war wesentlich stärker als unseres. Er war nicht nur der Chef, er war der Oberbefehlshaber. Einmal hörte ich, wie Karl zu ihm schimpfte: «Du kleiner Schlawiner, nimm dich in Acht. Mit dem Geld, was du uns gekostet hast, hätten wir 10 solche wie du einer bist, kaufen können». Lumpi, war der absolute Star bei den Besuchern unserer Ausstellung. Nachdem er wieder laufen konnte, wollte er nicht auf seinen Puppenwagen verzichten, der war wie sein Auto und bequemes Fortbewegungsmittel. Er konnte immer auf Menschenhöhe überall dabei sein. Selbst wenn wir Kaffee tranken, wollte er im Puppenwagen dabei sein. Er zeigte an, wenn er in den Wagen wollte, indem er sich quer davor stellte und nach oben schaute. Er genoss es, wenn er von Besuchern, auch Kindern im Wagen herumgezogen wurde. Bei vielen Besuchern musste ich nie befürchten, dass jemand über den Lumpi stolperte, oder dass er aus Versehen getreten wurde. Als Lumpi älter wurde, kauften wir einen Dreirad-Wagen damit er uns weiterhin auf längeren Wanderungen über Stock und Stein begleiten konnte.

1987 kauften wir in Spanien, in Monte Pedrequer, das Nachbarhaus unseres Bekannten Rolf. Ihm kauften wir früher unsere ersten Enten und Gänse ab. Da unsere Kinder in der Firma arbeiteten, war es für mich möglich, auch in Spanien zu arbeiten. Ich füllte das Auto mit Arbeit und wenn alles aufgearbeitet war, fuhr ich in die Schweiz zurück, um abzuliefern. Karl, der Probleme mit dem Rücken hatte, fuhr meistens vor und nach mir im Reisebus mit Liegebett. In Spanien ging es ihm gesundheitlich viel besser, keine Rückenschmerzen und weniger Schlafstörungen. Aber für mich wurden die Fahrten nach Spanien zum Desaster. Ein traumatisches Ereignis folgte dem andern. Wegen unseren zwei Hunden und meinen Arbeiten, reiste ich die fast 1600 km mit dem Auto. Das wäre kein Problem gewesen, aber durch die Stadt Valencia führte damals noch keine Autobahn. Mir gefror fast das Blut in den Adern, wie viele überfahrene Hunde der Strasse entlang lagen. Ob alle tot oder nur verletzt waren, konnte ich nicht erkennen, denn anhalten war unmöglich. An Tankstellen und vor Läden sah ich immer dasselbe Bild; herrenlose, abgemagerte Hunde und Katzen, die apathisch herumsassen. Um jedes Tier aufzunehmen hätte ein LKW nicht gereicht. Es war unbeschreiblich, ich fühlte mich in meine Kindheit zurückversetzt, war wieder in einer Situation, machtlos zu sein.

Ich freundete mich bald mit meiner Nachbarin Marianne an, ihr Hund hiess Waldi, einer der wie viele andere an der Basura angebunden, ausgesetzt wurde. Marianne erzählte, dass in fast allen Häusern am Monte Pedrequer ausgesetzte Hunde aufgenommen wurden. Wir verabredeten uns täglich am Morgen und am Abend, um mit unseren Hunden am Monte Pedrequer abseits von Wohngebieten laufen zu gehen. Immer wieder beobachten wir abgemagerte Hunde und Katzen, voll mit Zecken und Flöhen. Marianne meinte, wir müssten Abstand halten, um unsere Hunde vor Krankheiten und Ungeziefer zu schützen. Tollwut herrschte, denn hin und wieder sahen wir in Tüten mit Impfstoff präparierte Hühnerköpfe. Wohl für Füchse und herrenlose Hunde ausgelegt. Es war schrecklich so viele kranke und arme Tiere umherirren zu sehen. Öfters gingen Marianne und ich ohne unsere Hunde mit vollbepacktem Rucksack mit Wasser, Futter, Wurmmittel und etwas gegen Ungeziefer los. Es stimmte mich traurig, mir war bewusst, dass wir nicht wirklich den Tieren helfen konnten, nur ihr Leiden verlängern.

Ausserhalb vom eigentlichen Wohngebiet beobachteten wir, bei einem abgelegenen Haus, dessen Besitzer nicht mehr lebten, 3 herrenlose Hunde. Eine Hündin war hoch trächtig, sie war kurz vor dem Werfen. Marianne sagte, wenn wir die nicht retten, werden sie am 1. Weihnachtstag erschossen. Es ist hier Tradition, ein Sport der Privaten und Jäger, dass am 25. Dezember die Jagt beginnt, ausserhalb von Wohngebieten wurde dann auf alles was sich bewegte geschossen, ausser auf Menschen. In Spanien wurden damals keine Weihnachten gefeiert, sondern der 6. Januar: «Die heiligen drei Könige». Dass am Berg oft gejagt wurde, war nicht zu übersehen, den Wild- und Wildschwein-Pfaden entlang lagen leere zahlreiche verrottete Patronenhülsen. Wir beschlossen, den zutraulichen abgemagerten Hunden zu helfen. Zuerst befreiten wir diese von den südländischen riesigen Zecken, die sich auch um die Augenlieder herum festgesetzt hatten. Wir kämmten den Filz aus dem Fell. Wir brachten täglich frisches Wasser und Futter. Nachdem alle drei zutraulichen Hunde sauber, auch von Flöhen befreit waren, fuhren wir diese zum Tierarzt. Die Hunde wurden vom Tierarzt geimpft, bis auf die trächtige Hündin. Marianne, die gut spanisch sprach, besorgte das Administrative, ich finanzierte alles bis zur Vermittlung. Wir schafften es, alle drei 3 Hunde und vier Welpen an gute Plätze zu vermitteln. Der Tierarzt meinte, dass in Spanien viele Millionen ungewollte Hunde und Katzen dahin vegetieren und nie eines natürlichen Todes sterben. Recht hatte er! Wo man genauer hinsah, war ein Elend zu sehen. Marianne beobachteten an einem entlegenen Weg eine erschöpfte Hündin, die am Verdursten war, die zu schwach war, um aufstehen. Die Hündin war ohne Schatten der Sonne ausgesetzt, direkt am Pfad der Wildschweine. Da war sofortige Handlung angesagt. Spontan trugen wir die Hündin abwechselnd nach Hause, obwohl einige Flöhe auf uns übergriffen. Diejenige, die nicht den Hund trug, musste mit sehr grossem Abstand unsere Hunde führen. Sie durften nicht in Kontakt mit dem Findling kommen, wir hatten keine Ahnung an welcher Krankheit der Hund litt. Wir kamen nicht darum herum, die geschwächte, total verschmutzte Hündin zu waschen und zu entlausen. Jeder Tierarzt hätte uns sonst weggeschickt. Beim Entfernen der schlimmsten Zecken bemerkten wir etwas furchtbares. Ein doppelter Draht war im Hals der Hündin tief ins Fleisch eingewachsen. In der eitrigen Wunde wimmelte es von lebendigen Maden. Ich musste mich beherrschen nicht zu schreien, so schlimm sah die Wunde unter dem Fell aus. Zum Glück war die Hündin so apathisch, dass sie alles mit sich geschehen liess. Ich glaube, dass die Hündin sich selbst aufgegeben hatte, oder sie spürte, dass wir ihr helfen wollten. Beim Tierarzt stellte er hohes Fieber und sehr schlechte Blutwerte fest. Er befürchtete ernsthaft, dass die arme Hündin die dringende Operation nicht überstehen würde. Ich hatte diese Hündin so in mein Herz geschlossen, denn sie erinnerte mich an Bernie, mit ihren bernsteinfarbigen Augen. Für mich war klar, wenn sie durchkommt, würde ich sie in die Schweiz holen und ihr ein schönes Daheim suchen. Die Hündin musste vor und nach der Operation, die sie gut überstand, professionell auf einer Pflegestelle mehrere Wochen gepflegt werden. Während der Pflegezeit fand ich über die Zeitung «Schweizer Tierwelt» ein neues Heim für diese grossartige, tapfere Hündin, die ich so sehr in mein Herz schloss. Zwei Plätze kamen in Frage, einer auf einen abgelegenen Bauernhof im Entlebuch, der andere bei einer Familie im Nachbardorf Obfelden, nicht weit entfernt, wo einst mein Hund Bernie grausam ums Leben kam. Gegen Entlebuch entschied ich mich, weil der Hof in der Nähe von einem Wald lag, wo auch viel Wild anzutreffen war. Als freilaufender Hund auf dem Hof, hätte sie nicht jagen dürfen, was ich nicht garantieren konnte. Aus anderer Erfahrung befürchtete ich, dass sie von Jägern erschossen wird. Ich entschied mich für den Platz im Nachbardorf Obfelden. Dort war es für mich auch möglich die grossartige Hündin hin und wieder zu besuchen. Ich verlangte kein Geld, auf dem Papier gehörte der Hund mir, Frau Lindenmann musste unterschreiben, dass die Hündin an mich zurück geht, sollte aus irgendeinem Grund die Haltung nicht mehr möglich sein.

Nach der Übergabe brachte ich immer wieder Futter und Leckerli vorbei. Es rührte mich, wie mein Schützling heiss geliebt wurde, sie durfte im Bett schlafen und auf dem Sofa sitzen. Zum Bad an der Reuss wurde sie wie überall hin mitgenommen. Frau Lindenmann schenkte mir viele schöne Fotos. Es war offensichtlich, diese Hündin wurde glücklich, hatte Lebensfreude.

Doch aus dem Happy End wurde es ein unheilvolles Unglück für alle. In der Nachbarschaft von Frau Lindemann lebte eine Familie aus Albanien, die wollten Katzen aus der Umgebung mit Gift loswerden. Ob Katzen zu Schaden kamen, weiss ich nicht. Aber die arme Hündin von Frau Lindenmann kam an das Gift. Nach Tagen qualvoller Leidenszeit beim ortsansässigen Tierarzt in Behandlung starb sie. Es traf mich alles wie ein Schlag, mit so etwas hätte ich nie gerechnet. Tagelang war ich am Boden zerstört, machte mir Vorwürfe, litt an Schuldgefühlen. Mein Mann Karl, gab mir tatsächlich auch die Schuld und meinte: «Du musst aufhören mit deinen Hunderettungen, überlasse das professionellen, erfahrenen Tierrettern. Du kannst diese finanziell unterstützten, sie können mit dem Geld viel mehr erreichen». Er hatte recht, ich fühlte mich nicht mehr fähig und stark genug. Meine Nerven waren blank. Jahre nach dem Vorfall, wenn mir die Fotos von Frau Lindenmann in die Hände kamen, wurden alte Wunden aufgerissen. Bis ich eines Tages die Fotos vernichtete.

Den Rat von Karl nahm ich an, anfänglich suchten wir gemeinsam in Denia das ansässige Tierheim auf, um zu spenden Dieses wurde damals von einem Schweizer geleitet. Leider erschien in der Zeitung ein Artikel, dass nicht alle Spenden für Tiere eingesetzt wurden.

Wir liessen uns nicht davon abhalten, wir spendeten weiter, aber überlegten genau wie und wo. Das Elend in spanischen Tierheimen war frustrierend. Durch gewisse Zeitungen und Nachrichten wurde bekannt, wie abertausende schöne, junge und brave Hunde in extra Tötungs-Einrichtungen grausam ums Leben kamen. Verirrte, verloren gegangen oder ausgesetzte Hunde, hatten keine Chance, wenn sich in 2-3 Wochen keiner meldete, der sie vermisste. Wir konnten die nicht retten, aber begannen die zu unterstützen die solche Hunde retteten. Als unser Lumpi starb, wollten wir einen Hund aus einer spanischen Tötungstation aufnehmen. Da fiel uns besonders positiv der deutsche Verein «Franz von Assisi Hundenothilfe,Hunde ohne Lobby» auf. Es war und ist immer noch eine unter vielen seriösen Organisationen, die sich bis heute unermüdlich einsetzen, um möglichst viele Tiere zu retten. Einige Tierschutz-Organisationen setzen sich unermüdlich für Strassenhunde in Griechenland, Italien und aus dem Ostblock ein, auch um diese zu kastrieren. Es werden auch aus dortigen Tötungsstationen gesunde Hunde vermittelt. Aus Erfahrung weiss ich, jeder der sich im Tierschutz engagiert, braucht starke Nerven und Geld. Traumatische Erlebnisse sind nicht zu vermeiden, auch die an das Elend gewöhnte Helfer können nicht alles aus ihrem Gedächtnis streichen.

Jeder gerettete Hund erfordert grossen Aufwand, bis er gepflegt, aufgepäppelt, kastriert und geimpft ist. Er muss getestet werden, in welche Familie oder Platz er vermittelt werden kann. Einen Hund an den richtigen Platz zu vermitteln, ist ein schwieriges Unterfangen. Ein Hirtenhund in eine Stadtwohnung zu vermitteln geht nicht. Es gibt Leute, die möchten einem Hund ein Zuhause bieten, sind frustriert, wenn sie für den ausgewählten Hund eine Absage erhalten. Nicht jeder gerettete Hund passt in eine Familie mit kleinen Kindern. Ein Hund, der viel Bewegung braucht, kann nicht an Personen vermittelt werden, die voll berufstätig sind, oder ohne Auslauf.

Nun habe ich viel über Hunde und Katzen geschrieben, die schwer unter der Unvernunft von Menschen zu leiden haben. Frau Edith Zellweger ist eine, die mit ihrer Stiftung «Animal Foundation» sich vehement für eine Kastrations- und Chip-Pflicht für Freigänger-Katzen in der Schweiz einsetzt. Das müsste in allen Ländern der Welt eingeführt werden, auch bei Hunde.

Das wird jedoch an der nicht funktionierenden Politik wohl immer wieder scheitern.

Heidi Ott

ICH BIN KEIN GOTT

Fast täglich werde ich konfrontiert mit traurigen Pferde- und Tierschicksalen. Bei Pferden geht es oft darum, dass deren hauptsächliche jungen Besitzerinnen nicht vorab einschätzen können, was die Haltung von einem Reitpferd wirklich kostet, wie hoch eine Tierarzt-Rechnung sein kann. Es ist sehr tragisch, wenn ein Pferd sterben muss, weil der/die Besitzer/in nicht für die Kosten einer rettenden Operation aufkommen kann.

Meine Stiftung ist klein, die aus meinen privaten Ersparnissen gegründet wurde. Die Stiftung funktioniert mit Einnahmen aus dem Internet-Verkaufskatalog und den Einnahmen auf Börsen und Messen, hauptsächlich im Ausland. Die angebotenen Artikel stammen ebenso aus meiner privaten Sammlung und was ich aus meinem privaten Vermögen zusätzlich immer wieder kaufe. Sämtliche Verkaufskosten und Spesen, habe ich bis jetzt privat finanziert. Es gibt keine Lohnbezüger. Ich bin 80 Jahre alt, 98 % aller Arbeiten bewältige ich allein. Das heisst im Rückblick 2024: Seit 2022 ist der Umsatz um das fast 10-fache gestiegen. 2024 musste ich 1000 E-Mails mehr als 2022 bewältigen. Das bedeutet auch mehr Bestellungen herrichten, mehr Rechnungen schreiben, Packen, Versenden und Versand-Nr. an die Kunden leiten, verkaufte Artikel im Internet als verkauft markieren, Zahlungen kontrollieren, alle Unterlagen ablegen. Korrespondenzen führen mit trauernden, nach Verlust ihres geliebten Haustiers. Unzählige Bettelbriefe von Tierschützern und Privatpersonen, Hilfesuchende bei Notfällen. Was meine Internet-Seite für den Verkauf betrifft, muss ich neu zugekaufte Artikel zum Fotografieren bereit machen, erstellte Fotos müssen bearbeitet werden, jedes Bild braucht eine Beschreibung, eine Artikelnummer und ein Preis, um es in das Internet zu stellen. Das Laden von jedem Artikel braucht Zeit. Verkaufte Artikel müssen als verkauft deklariert werden, das geschieht nicht nur mit einem Klick, sondern es braucht Zeit zum Bearbeiten. Zahlungen müssen auch gemacht werden. Jeder Arbeitsgang ist aufwändig. Dazu kommt das ganze Administrative wie die Buchhaltung. Das Material für die Verkaufsstände an Messen und Börsen müssen bereit gemacht werden, Messen und Hotels müssen gebucht werden. Nach einer Messe muss alles wieder an seinen Platz geräumt werden. Haustiere und Haus mit Garten sind zu versorgen. Es ist alles mit viel mehr Arbeit verbunden, wie ich es mir je vorstellen konnte. Es macht mir Freude, aber es ist manchmal zu viel!

Was die Flut von Bitten betrifft, mit manchmal unangemessenen Reaktionen auf meine Absagen, frage ich: «Wer hilft mir, arbeite oft 18 Stunden, 7 Tage die Woche?». Ausser meinen zwei guten Freundinnen hat noch nie jemand mir Hilfe geleistet. Mein grösster Wunsch wäre, dass meine Stiftung mehr Verkäufe in der Schweiz tätigen könnte. 98 % aller Verkäufe gehen ins Ausland. Das liegt daran, dass in der Schweiz keine Messen und Börsen stattfinden, so kann auch nicht für den Internet-Katalog der Stiftung in der Schweiz geworben werden. Der Versand ins Ausland ist sehr zeitraubend und aufwändig.

Ich versuche über meine Stiftung möglichst vielen Tieren zu helfen. Wenn ich manchmal Bettelbriefe lese, habe ich das Gefühl, dass es nicht immer um Tiere in Not handelt. Ein neues Auto für Tierarztbesuche, Dachreparaturen, Weide-Zäune, Stall-Neubau, Solarzellen, Zahnarzt-Rechnung übernehmen, weil sonst die Haustiere zu leiden hätten. Bengal Katzenzüchterin, die wünscht, dass die Tierarzt-Rechnung übernommen wird, usw.

Überwiegend sind Anfragen zur Übernahme oder Beteiligung von Pferde-Pensionskosten, weil «Besitzerinnen“ in Not geraten sind. Ich habe für meine Stiftung inzwischen genügend seriöse Tierheime und Organisationen kennen gelernt wo die gemachten Spenden wirklich den Tieren in Not zugute kommen. Darüber habe vor, weitere Berichte mit Bildern zu veröffentlichen.

Heidi Ott

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